Martin Heus, 2010

Text zur Ausstellung Come As You Are, Kunstraum Karlsruhe und Zeppelin Museum Friedrichshafen 2010

 

Ohne Titel und Scala Coop

 

Axel Philipps Schmirgelpapierzeichnungen erwecken den Anschein abstrakter, gegenstandsloser Bilder, die sich vor allem im Gestus des Farbauftrags unterscheiden, sich ansonsten aber jeglicher Abbildung einer äußeren Wirklichkeit verweigern. Man ertappt sich unwillkürlich dabei, sie als Zitate auf die Handschrift bestimmter Künstler oder Stilrichtungen zu deuten. Bei ihnen handelt es sich allerdings gerade Kompositionen im klassischen Sinne, sondern um Erinnerungsspuren, die der Künstler von Beutezügen aus seiner Umwelt mitgebracht hat. Darüber hinaus sind es Abbildungen von Philipps künstlerischer Arbeit im materiellsten Sinne: Beim Schleifen bleiben Teile des Werkstücks am Schleifpapier zurück. Abhängig vom Material, der Körnung des Papiers und dem ausgeübten Druck bilden sich Spuren der Farbe und sogar der Form des bearbeiteten Objekts auf dem Papier ab.

 

Im Gegensatz zu Max Ernst in seinen Frottagen, kommt Philipp in seinen Schmirgelbildern ohne ein zusätzliches Zeichenwerkzeug aus, da ja das beriebene Objekt selbst die Farbe liefert. Es sind also eigentlich gar keine Zeichnungen im klassischen Sinn und das Schmirgelpapier ist für Philipp auch nicht einfach eine unkonventionelle Leinwand. Vielmehr findet ein Austausch zwischen dem farbgebendem Objekt und dem Bildträger statt. Dabei werden, im Gegensatz zu herkömmlichen abbildenden Verfahren, beide in ihrer Substanz massiv verändert. Das Positiv - um einen Begriff aus der Fotografie – das sich auf dem Schmirgelpapier abbildet, und als indexikalische Spur auf sein Urbild verweist, hinterlässt seinerseits eine Negativspur auf dem beriebenen Objekt. Das Abbild hat also an der Materie seines Urbildes teil und verursacht und bezeugt dabei dessen materiellen Verfall. Gleichzeitig jedoch erschließt es vollkommen neue Bildhaftigkeit, die sich in ihrem Sinnesreiz zu einer eigenständigen Größe manifestiert. Philipps Schmirgelpapierbilder sind damit mehr als Nachahmungen oder Abbildungen der von ihm bearbeiteten Dinge. Sie haben vielmehr Teil an ihnen, sind ihnen oberflächlich wesensgleich und werden so zu „Berührungsreliquien“ ihrer Farbgeber.

 

Martin Heus